Abgeordnetenspalte:
Nicht gewährleistet

15. März 2024

Dieser Text erschien am 15. März 2024 im Schwäbischen Tagblatt in der Rubrik „Abgeordnetenspalte“

Psychisch kranke oder suchtkranke Straftäter*innen werden in Deutschland nicht in einem Gefängnis, sondern im sogenannten Maßregelvollzug untergebracht. Der Maßregelvollzug soll diesen Menschen einerseits Therapie bieten und gleichzeitig die Öffentlichkeit vor ihnen schützen. Im September 2021 entkamen vier Patienten aus dem Zentrum für Psychiatrie in Weinsberg. Zwei Jahre später kam es zu einer tödlichen Messerattacke in Wiesloch, nachdem der Täter kurz zuvor aus dem Psychiatrischen Zentrum Nordbaden geflohen war. Bis heute sind viele Fragen offen. Und erst im Februar starb ein Patient im Heidelberger „Faulen Pelz“, einem Ex-Gefängnis, das vom Land für suchtkranke Straftäter*innen genutzt wird.


Bei der Unterbringung von Straftäter*innen im Maßregelvollzug hapert es in Baden-Württemberg gewaltig:  Jedes Jahr entweichen im Schnitt 52 Patient*innen. Das hat einige Gründe: Es gibt zu wenige Plätze im Maßregelvollzug und es fehlt an Personal. Gleichzeitig steigt die Zahl und Aufenthaltsdauer der in den Maßregelvollzug einzuweisenden psychisch kranken Straftäter*innen. All diese Trends hat der grüne Sozialminister zu lange tatenlos mitangesehen und – wie immer – nur mit dem Finger nach Berlin gezeigt. Bestehende Standorte wurden über das vertretbare Maß hinaus überbelegt. Gelitten hat die Sicherheit. Nachdem er jahrelang den Kopf in den Sand gesteckt hat, fand der Minister 2023 mit dem „Faulen Pelz“ eine Zwischenlösung, die nach vielen Konflikten mit der Stadt seit einigen Monaten in Betrieb ist. Dass nun ausgerechnet dort ein Patient gestorben ist, hat berechtigterweise für einen öffentlichen Aufschrei gesorgt: Kakerlaken, Schimmel, Drogenhandel, verdorbenes Essen, schlechte medizinische Versorgung und ein untaugliches privates Sicherheitspersonal – all das prangerten über 20 Anwält*innen in einem Brief an die Landtagsfraktionen an. Im Landtag haben der Minister und die Verantwortlichen ein rosigeres Bild gezeichnet. Die Zustände klingen nach einem Schauerroman des 19. Jahrhunderts.


Zwei Dinge soll der Maßregelvollzug ermöglichen: Therapie und Sicherheit vor Gewaltäter*innen. Beides ist in Baden-Württemberg nicht ausreichend gewährleistet. Deshalb braucht es jetzt weitere Aufklärung und bessere Zustände!