19. April 2024
Dieser Text erschien am 19. April 2024 im Schwäbischen Tagblatt in der Rubrik „Abgeordnetenspalte“
Vor 50 Jahren, am 26. April 1974, entschied sich der Bundestag mit einer knappen Mehrheit von SPD- und FDP-Abgeordneten für eine gesetzliche Regelung, die Frauen innerhalb einer 12-Wochen-Frist den Abbruch einer Schwangerschaft ermöglichte. Obwohl dieses Gesetz später vom Bundesverfassungsgericht für ungültig erklärt wurde, war diese Abstimmung der Durchbruch. Ab dann ging es nur noch um das Wie, nicht mehr um das Ob der Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Aktuell ist jede Abtreibung in Deutschland grundsätzlich rechtswidrig, bleibt bis zur 13. Woche nach einer ärztlichen Beratung jedoch straffrei. Für mich sind Abtreibungen Gewissensentscheidungen und eine Frage der Selbstbestimmung. Zum Glück wird bei uns nicht so erbittert um Abtreibungen gestritten wie in den USA oder Polen. Aber auch in Deutschland und Baden-Württemberg ist nicht alles rosig.
So zeigt eine aktuelle Studie: Das Ländle zählt neben Rheinland-Pfalz und Bayern zu den Bundesländern mit der schlechtesten Versorgung mit Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Das Land trägt die Verantwortung für die Versorgung. Gehsteigbelästigungen, also Protestaktionen vor Beratungsstellen, Praxen und Kliniken, erschweren es Frauen inzwischen so sehr, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, dass die Bundesregierung ein eigenes Gesetz dagegen auf den Weg gebracht hat. Und eine Expertenkommission des Gesundheitsministeriums hat erst diese Woche den Finger in die Wunde gelegt: Straffreiheit ist nicht dasselbe wie Legalisierung. Sie empfiehlt – wie es schon die sozialliberale Koalition 1974 versucht hat – Schwangerschaftsabbrüche in den ersten zwölf Wochen zu legalisieren.
Paragraf 219a, der die Werbung für Abtreibungen unter Strafe stellte, hat die Ampel konsequent gestrichen. Dass sich das grün-schwarze Baden-Württemberg im Bundesrat dazu enthalten hat, war enttäuschend. Ich finde: Der Schwangerschaftsabbruch gehört raus aus dem Strafgesetzbuch. Kriminell und trotzdem strafffrei, das ist 2024 kein Zustand mehr. Die ärztliche Beratungspflicht hat sich aber bewährt und sollte auch bleiben.